
Anmerkungen zur Finanzverfassung der
alten Stadt Ahrweiler
Der Vortrag wurde vom Autor Hans-Georg
Klein anlässlich der
Buchvorstellung von Band 8 der „Quellen zur Geschichte der Stadt
Ahrweiler“
gehalten.
Sehr
geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer,
also
jetzt stehe ich zum achten Male hier vor Ihnen und fühle mich zum achten
Male wie eine Mutter nach der Entbindung: erleichtert, glücklich und
etwas stolz, ich gestehe es, stolz auch, weil Sie liebe Gäste heute
Abend zum achten Male bei der Taufe eines neuen Bandes der Quellen dabei
sind.
Nun
aber zum Täufling: Zunächst mag man meinen, das Rechnungswesen einer
Kleinstadt wie Ahrweiler sei eine trockene Ansammlung von Zahlen, der
nicht viel abzugewinnen sei. Das vorliegende Buch widerlegt aber eine
solche Ansicht gründlich. Es ergeben sich nämlich tiefe Einblicke in das
wirtschaftliche und soziale Leben der Stadt, ihre Verhältnisse zur
Verwaltung des Kölner Kurstaates und ihre Schicksale im Rahmen der
großen Politik mit ihren Kriegen.
Die
vorliegenden Baumeisterrechnungen bilden zwar den Schwerpunkt des
städtischen Rechnungswesens, aber es gab noch andere Nebenkassen oder
besser Komplementärkassen. Ich möchte Ihnen dieses an Hand der Besoldung
des Schulmeisters explizieren. Mir ist aufgefallen, dass der
Schulmeister laut Baumeisterrechnung nur mit 26 gld und einer Fuhre Holz
jährlich entlohnt wurde. Der Stadtdiener dagegen erhielt eine jährliche
Besoldung von 85 gld. Lehrer wurden schon immer karg entlohnt, das weiß
jeder, aber dieses Missverhältnis konnte doch so nicht stimmen.
Weitere Forschungen haben ergeben, dass der Schulmeister zusätzliche
städtische Leistungen aus sogenannten Komplementärkassen erhielt. Acht
Gulden 16 Albus aus der Stiftung des verstorbenen Bürgermeisters
Bossart, die vom Rat verwaltet wurde, 26 Gulden aus der Gilde, 33 Gulden
23 Albus zahlt der Kirchenmeister dem Magister, für das Singen in
diversen Gottesdiensten erhielt der Lehrer nochmals 2 Gulden und um die
Verwirrung noch zu komplettieren, sei noch vermerkt, dass die Kasse des
Hospitals dem Lehrer 13 Gulden jährlich zulegte. Daneben mussten die
Schüler ihrem Lehrer vierteljährlich noch Schulgeld bezahlen, das aber
infolge der Armut vieler Kinder häufig entfallen ist. Somit wurden etwa
nur 7,7% des Schulmeistergehalts im Primärhaushalt der Stadt verbucht.
Das war beileibe kein Einzelfall.
Im
Jahre 1792 untersuchte der Bonner Hofrat auf Beschwerden von Bürgern hin
– darauf werde ich noch zu sprechen kommen – das Finanzgebaren der Stadt
Ahrweiler. Der Referent kommt zu folgendem bemerkenswerten Schluss: „In
einem schlechteren Zustand, als zu Ahrweiler, mag wohl an keinem Orte
des Erzstiftes das Rechnungswesen seyn, und ich bin nicht im Stande aus
den vorhandenen Rechnungen einen richtigen Zustand des Empfangs und der
Ausgaben herauszubringen. Ich muß mich daher blos darauf beschräncken,
daß ich die Unordnung zeige, womit dieser wichtige Punkt der städtischen
Verwaltung behandelt ist.“
Was
soll man da noch sagen! Und Sie erwarten jetzt von mir, dass ich Ihnen
das Finanzwesen Ahrweilers verständlich erkläre. Aber ich will mir
dennoch Mühe geben.
Die
vorliegenden Rechnungen sind durch den jeweiligen Baumeister angelegt,
gegliedert nach Einnahmen und Ausgaben. Der Baumeister wurde jährlich am
1. Mai vom Rat in sein Amt gewählt. Er hatte – wie gesagt – die
Einnahmen und Ausgaben der Stadt abzurechnen. Seine Amtszeit endete am
30. April des nächsten Jahres. Dieses Amt galt als ein „verdrießliches“
Amt, weil die Hauptschwierigkeit des Baumeisters in der Beitreibung der
Simpel bestand. Die Simpel waren die Landessteuer, die im Bedarfsfall
vom Landtag festgelegt wurde. Es konnten pro Jahr zu mehreren Terminen
mehrere Simpel umgelegt werden. Aber das ist jetzt wieder ein Thema für
sich. Der Beamte, also der Baumeister, musste vor allem
Zahlungsunwillige dazu bringen, die Steuer zu zahlen. Zu welchen rüden
Methoden er dabei greifen musste, erfahren wir aus dem Jahre 1623. Um
die Zahlung zu erzwingen, ließ der damalige Baumeister Nikolaus
Stapelberg kurzerhand die Stadttore schließen. Aus der Stadt auf ihre
Felder oder in ihre Weinberge durften nur noch diejenigen Bürger, die
ihre Steuern erledigt hatten. Damals stand am Obertor der Sohn
Stapelbergs, Hans Wilhelm, zum Kassieren bereit. Arnold Rauchs Frau
wollte zum Tor hinaus auf ihr Feld. Weil sie noch nicht gezahlt hatte,
ließ der Steuereinnehmer sie nicht passieren. Da beschimpfte sie den
Vertreter der städtischen Gewalt, seine Mutter würde sich im Grabe
umdrehen, wenn sie erführe, wie er da stünde und die Gemeinde „placht“.
Der
Rat beschloss daraufhin, seine Officiere (also Beamte) zu schützen und
solche Äußerungen zu bestrafen. Im Übrigen gibt uns diese Episode auch
einen Hinweis, dass Margarete Stapelberg, die Mutter von Hans Wilhelm,
zu diesem Zeitpunkt schon unter der Erde lag, und sie nicht, wie immer
wieder grundlos behauptet wird, bei der Hexenverfolgung 1628-30
verbrannt worden ist. Gleichzeitig verurteilt der Rat den Simon Winrich,
der am Adenbachtor dem Steuereinnehmer und dem ganzen Rat hundert
Pestilenzen an den Hals wünschte und dabei betonte, andere Bürger
dächten genauso. Daran erkennen Sie, dass die Bürger noch nie gerne
Steuern bezahlt haben. Auch hier hat sich die Welt noch nicht geändert.
Wie
gesagt, das Baumeisteramt war ein verdrießliches Amt. Also versuchte
man, sich vor dieser Aufgabe zu drücken. Für die vermögenden Bürger
bestand die Möglichkeit, sich freizukaufen. Gegen die Zahlung von 90-100
Talern kauften sich die Bürger vom Baumeisterbuch ab, erhielten aber die
sogenannten Baumeisterfreiheiten. Für die Stadt wiederum war das eine
nicht zu unterschätzende Einnahmequelle.
Die
sogenannten Baumeisterfreiheiten bestanden zunächst einmal in der
Titulatur. Der Baumeister wurde auf Lebenszeit mit Baumeister und Herr
angeredet. Das schien damals von großer Wichtigkeit gewesen zu sein.
Man
kann das noch gut auf den Königschilden der St.
Sebastianus-Schützen-Gesellschaft nachlesen. Dann durfte der Baumeister
zwei Schweine mit zur Waldmast auftreiben, der normale Bürger nur eins.
Weiter war der Baumeister auf Lebenszeit von allen Hand- und
Spanndiensten, sowie dem Wachtdienst freigestellt. Ferner erhielt er
eine Besoldung von jährlich 20 gld. Dazu kam eine Aufwandsentschädigung
von 8 gld pro eingezogenem Simpel. Das konnte im Jahr über 100 Gulden
ausmachen.
Dennoch empfanden die Bürger dieses Amt als verdrießlich. Warum? Ich
will Ihnen das am Beispiel des Maurermeisters Hans Georg Monreal
darlegen. Hans Georg Monreal ist übrigens der Stammvater aller Ahrweiler
und Walporzheimer Maurer und Bauingenieure gleichen Namens. Also Monreal
ist im Jahre 1785/86 Baumeister gewesen. Bei der Abrechnung blieb er
gegenüber der Stadt im Obligo, sei es, weil er das eingenommene Geld
zunächst einmal anderweitig als Spielgeld eingesetzt hatte, oder weil
noch jede Menge Steuerschuldner ausstanden. Immer wieder stellte die
Stadt Nachforderungen an ihn, ohne dass er zahlte oder zahlen konnte. Am
2. Juni 1797, also elf Jahre nach Beendigung seiner Amtszeit, fand vor
dem Vergleichsbüro der Kantonsverwaltung in Altenahr ein Prozess um die
ausstehenden Gelder statt. Erst im Jahre 1816 (also 30 Jahre nach
Rechnungsabschluss) kamen die Auseinandersetzungen zum Ende.
Die
Krux des Amtes bestand darin, dass der Baumeister oder seine Erben für
etwaige Rückstände weiter verantwortlich blieben. Diese
Steuerforderungen waren seine persönliche Angelegenheit. Sie wurden
nicht als Forderung der Stadt auf seinen Nachfolger übertragen. So kam
es bisweilen dazu, dass der Nachsatz eines verstorbenen Baumeisters,
also der neue Ehemann der Witwe, dessen Verbindlichkeiten bei der Stadt
übernehmen musste. Dass die Witwe eines Baumeisters dabei schlechte
Chancen auf Wiederverheiratung hatte, liegt auf der Hand.
Andererseits ist es auch vorgekommen, dass ein Baumeister gegenüber der
Stadt in Vorlage ging. Auch in diesem Falle musste er jahrelang auf sein
Geld warten.
Im
Jahre 1790 kam es dann zum Eklat. Der Rat wählte am 1. Mai den Gerber
Heinrich Krupp, 60 Jahre alt, zum neuen Baumeister für das Rechnungsjahr
1790/91. Krupp weigerte sich, das Amt anzunehmen. Das war bislang noch
nicht vorgekommen. In seiner Beschwerde an der Bonner Hofrat
argumentierte Krupp folgendermaßen: Er sei 60 Jahre alt, Witwer mit fünf
unmündigen Kindern, als Gerber dauernd unterwegs zum Einkauf von Häuten
und Fellen und vor allem sei er des Lesens und Schreibens unkundig.
Zudem sei er arm und von seinem Amt als Kirchenmeister, das er vier
Jahre lang ausgeübt habe, noch mit 100 Taler rückständig. Zwei andere
Bürger aus seiner Hut, Heinrich Horst und Peter Reifferscheid, hätten
sich mit Geld von dem beschwerlichen Amt abgekauft.
Da
die Stadt nicht nachgibt, kommt es vor dem Hofrat zum Prozess, in dessen
Verlauf der Hofrat das ganze Rechnungswesen der Stadt überprüft. Ich
hatte schon eingangs davon berichtet. Zwischenzeitlich haben die Bürger
der Adenbachhut beim Kurfürsten einen weiteren Protest eingelegt.
Jetzt
müssen wir, ebenfalls zwischenzeitlich, einen Blick auf die zweite
wichtige Steuer werfen, nämlich den Schatz. Der Schatz war wie der
Simpel eine Steuer, die auf den Grundbesitz erhoben wurde. Der Schatz
wurde hutenweise von den Hutenmeistern erhoben und verwaltet, so dass
der Name Schatzheber ein Synonym für Hutenmeister wurde. Diese Beamten
mussten von ihrer Hut dem Stadtrat vorgeschlagen werden und wurden von
diesem ebenfalls im Mai entweder bestätigt oder zurückgewiesen. Die
ganze Hutengemeinschaft musste für die korrekte Abrechnung bürgen. Die
Schwierigkeiten, eine geeignete Person zu finden, waren enorm. Man habe
schon einen Bürger für bares Geld willig machen müssen. Wie wir alle
wissen, sind die heutigen Hutenmeister honorige Senioren. Damals wurde
vorwiegend jungen Neubürgern dieses Amt aufgedrängt. Aber der Kurfürst
verbot das jetzige Verfahren.
Nach
langem Hin und Her und nachdem viel sauberes Papier in hässliche Akten
verwandelt worden war, kommt es zu einer grundlegenden Änderung. Sowohl
das Amt des Schatzhebers als auch das Baumeisteramt soll künftig durch
einen städtischen Beamten auf Lebzeiten verwaltet werden.
Das
Amt eines Schatzhebers für alle Huten erhält nun mit Wahl durch die
Gemeinde (also Huten und Dörfer) und nachfolgender Bestätigung durch den
Stadtrat Tilman Wolff. Das Amt des Baumeisters geht an den
Ratsverwandten Anton Maria Muttone, der dafür mit 4% der Simpeleinnahmen
entlohnt wurde.
Die
eigentliche Kassenverwaltung oblag jetzt dem Schöffen Hubert Fechemer,
der bislang den Stadtsack verwaltete.
Wenn
wir jetzt die beiden Grundsteuerformen, den Simpel, also die
Landessteuer, der ja im städtischen Haushalt nur ein Durchlaufposten
gewesen ist, und den Schatz, aus dem in erster Linie die Schulden der
Stadt bezahlt werden mussten, außer Acht lassen, bleiben als
Haupteinnahmequelle der Stadt die Akzisen. Und diese Steuerart sagt
natürlich viel über die Wirtschaftskraft einer Stadt aus.
Zunächst aber noch ein Wort zum sogenannten Stadtsack. Diese Einrichtung
taucht zum ersten Male im Jahre 1752 auf und wurde von einem Schöffen
verwaltet. Er speiste sich in erster Linie aus den Überschüssen der
Baumeister und Schatzheber. Ich will das Thema hier nicht vertiefen. Es
soll im nächsten Band ausführlich erörtert werden.
Die
Akzisen wurden am Andreastag öffentlich verpachtet, d.h. bei brennender
Kerze gegen Höchstgebot versteigert. Die Akzise ist eine Art
Verbrauchssteuer auf die verkauften Waren. Laut Akziseordnung von 1619
musste von jeder umgesetzten Mark ein Heller Akzisegeld entrichtet
werden. Das entsprach etwa einem Anteil von 1,4%.
Und
nun kommen die Jeulsche wieder ins Spiel. Nachdem Erzbischof Friedrich
von Köln die Burg Neuenahr unter Mithilfe der Ahrweiler Schützen erobert
hatte, gestattete er ihnen, von allen verkauften Waren eine Akzise zu
erheben. Den Akziseeinnehmer sollen sie aus ihrer Mitte frei wählen
können. Das war im Jahre 1376, den Neuenahrern sei Dank!
Bislang war es in der Ahrweiler Geschichtsschreibung üblich, von der
Großen und der Kleinen Akzise zu sprechen. Mit der Großen Akzise war die
Wein- und Bierakzise mit der Kleinen die übrigen Akzisen gemeint. Das
stimmt so nicht, obwohl das in anderen Städten so üblich gewesen ist,
beispielsweise in Remagen. Ich war auch selbst überrascht, dass nicht
die Wein- und Bierakzise die höchste Einnahmequelle gewesen ist, sondern
die Gewandhaus- und Tuchakzise. Das spricht für einen ausgeprägten
Tuchhandel in Ahrweiler. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde die
Weinakzise selbst von der Fleischakzise übertroffen.
Da
die Akzise eine Verbrauchssteuer gewesen ist, schließen wir daraus, dass
der meiste Wein für den Export bestimmt war. Folgende Akzisen sind im
Berichtszeitraum zu vermelden: Die Wein- und Bierakzise, die Kreudelei-,
Krämerei- und Leinentuchakzise, die Fruchtakzise, die Lederakzise, die
Fleischakzise, die Kohlenakzise, die Holzakzise und – wie schon erwähnt
– die Gewandhaus- und Tuchakzise.
Derjenige Bürger, der also das höchste Gebot abgegeben hatte, musste die
Akzise einziehen, der Stadt den Versteigerungspreis zahlen und konnte
dann den eventuellen Überschuss als Gewinn verbuchen. Dabei ist zu
vermerken, dass gerade die Weinakzise sehr großen Schwankungen unterlag.
Das lag natürlich an den zu erwarteten Ernteerträgen. Man kann also aus
den Versteigerungserträgen der Weinakzise auf die Ernteergebnisse der
Lese schließen.
Bei
den Wochenmärkten und vor allem bei den vier Jahrmärkten, die jeweils
acht Tage dauerten, hatten die Akziseeinnehmer viel Arbeit zu
verrichten. Wenn wir die Akziseeinnahmen Ahrweilers mit derjenigen
Remagens vergleichen, kommen wir zum Ergebnis, dass die Einnahmen
Ahrweilers im Schnitt mindestens doppelt so hoch waren wie die Remagens.
Das sagt natürlich viel über die Wirtschaftskraft beider vergleichbarer
Städte aus.
Wenn
wir schon bei den Markttagen sind, sind wir zugleich bei einer anderen
Einnahmequelle, nämlich den Standgeldern. Hier konkurrierte die Stadt
mit dem Kloster Prüm, das als Grundherr des Marktplatzes diese
Standgebühren für sich beanspruchte. Allerdings müssen wir uns von dem
Gedanken frei machen, dass sich das Marktgeschehen, vor allem das der
großen Jahrmärkte, nur auf dem Marktplatz abspielte. Dann waren
sämtliche Hauptstraßen mit Marktständen belegt und diese Gelder gingen
wiederum nur an die Stadt.
Weitere regelmäßige Einnahmen verbuchte die Stadt aus den Zinsen für die
an der Stadtmauer auf städtischem Grund errichteten Häuser. Heute würden
wir von einer Erbpacht sprechen. Auch hier lernen wir, dass die Bebauung
der Wälle nicht erst um 1800 begann, sondern schon ab 1600. Zu nennen
sind noch die Pachteinnahmen von den beiden Mühlen am Griendt, also am
Ackerfloss unterhalb des Calvarienberges. Die Mühlen am Mühlenteich
zahlten übrigens an den Kurfürsten.
Eine
weitere regelmäßige Einnahme kam aus dem Weinkauf. Dies war eine Art
„Umsatzsteuer“ von jedem gerichtlich beglaubigten Immobilienkauf. Von
jedem Reichstaler mussten 10 Heller Weinkauf an das Baumeisteramt
gezahlt werden. Das entsprach etwa 1% der Kaufsumme. Von diesen
Einnahmen sollte ein Drittel zum Ausbau des Schulwesens dienen, deshalb
sprach man auch vom Schulgeld. Sie sehen liebe Zuhörer, Ahrweiler war im
17./18. Jahrhundert schon weiter als Griechenland heute.
Zu
den unregelmäßigen Einnahmen zählt das Bürgergeld, das jeder Neubürger
entrichten musste. Das betrug beispielsweise 1747 immerhin schon 100 gld.
Zu nennen sind die vielfältigen Feld- und Buschstrafen, der Erlös aus
dem Holz- und Loheverkauf oder aus dem Verkauf der Eicheln zur
Schweinemast. Schon genannt worden sind die Einnahmen vom Freikauf aus
dem Baumeisteramt, aber auch das Amt des städtischen Fähnrichs, der
gleichzeitig Schützenfähnrich gewesen ist, brachte Geld in die
Baumeisterkasse.
Bei
den regelmäßigen Ausgaben sind zunächst die Gehaltzahlungen zu nennen.
Im Berichtszeitraum standen 17 Personen auf der Gehaltsliste der Stadt.
Stadtschreiber, Baumeister, Schulmeister, dessen Adjunkt, die
Schulmeisterin, Stadtdiener, die beiden Nachtsbläser, Pfortenschließer,
der städtische Postillion, der Tambour, zwei Vikare wegen der beiden
Messen zu Walporzheim, der Syndikus der Städtekurie und ein Assessor am
Reichskammergericht in Wetzlar. Später kamen noch ein hauptamtlicher
Förster (ab 1748) und ein hauptamtlicher Feldschütz sowie (temporär) ein
Wachtmeister hinzu.
Neben
den Gehältern standen den Beamten zum Teil noch die Lieferung von
Naturalien wie Holz, Kleidung und Schuhe zu. Außer den Gehältern für die
Beamten musste die Stadt zeitweise auch einen Mediziner entlohnen, der
dafür die Armen kostenlos behandeln musste.
Ein
weiterer fixer Kostenpunkt waren die ordentlichen und außerordentlichen
Sitzungsgelder für Bürgermeister, Ratsmitglieder, Achter und Baumeister.
Ferner hatte die Stadt vierteljährlich die Servicegelder für zwei
kurkölnische Hauptleute zu entrichten. Dann waren Geschenke
(Trinkgelder) für Boten etc. fällig. Ein gewaltiger Posten der Ausgaben
stammt aus dem städtischen Schuldendienst. Es war im Berichtszeitraum
ein Kapital von etwas über 10000 Reichstaler zu bedienen.
Das
sind immerhin ca. 33333 Gulden, verzinsbar mit 5%. Diese Schulden
stammen aus dem 17. Jahrhundert, der Zeit des 30jährigen Krieges und des
Ahrweiler Stadtbrandes von 1689. Zu den unregelmäßigen Ausgaben der
Stadt Ahrweiler gehörten besonders, wie heute auch, die notwendigen
Baumaßnahmen, damals etwa die Pflasterung sämtlicher Hauptstraßen oder
die vielfältigen Reparaturen an der Stadtmauer, der Bau der Stadtwache,
des späteren Rathauses, unter dem Baumeister Johann Georg Leydel,
Reparatur- und Baukosten an der Pfarrkirche, besonders die
Neuanschaffung der Orgel und der Kommunionbank (wieder von Leydel
entworfen) und vieles andere mehr. Hervorgehoben werden sollen
vielleicht noch die Kosten für die Unterhaltung oder den Neubau der
Brücken, angefangen von den vielen Teichbrücken bis zur steinernen
Ahrbrücke.
Ein
besonderer Kostenfaktor waren Ausgaben für die mannigfaltigen
Prozessionen. Niemand trug eine Fahne oder ein Kreuz, ohne dass er in
Naturalien oder Geld entlohnt wurde. Das Ehrenamt war noch nicht
erfunden. Die Entlohnung in Naturalien bestand natürlich in Weck und
Wein.
Wobei
wir jetzt bei einem eigenen Kapitel angekommen sind. Schon der
Stadtschreiber Johann Schöneck vermerkte im Ratsprotokoll vom 19.
November 1602, dass „der Wein dieser ortt die vornembste narung ist“.
Deshalb spielten auch der Wein respektive die Weinpräsente im
städtischen Haushalt eine überaus bedeutende Rolle. An bestimmten
Feiertagen wie am Neujahrstag, am Fest Lanceae et Clavorum (das war der
Freitag nach dem Sonntag Quasimodo, damals ein hoher Feiertag), am
Fronleichnamsfest und am Martinsabend erhielten die Geistlichkeit
einschließlich der Franziskaner auf dem Calvarienberg, der Vogt,
Bürgermeister und Ratsangehörige, Schulmeister, Glöckner und Stadtdiener
den sogenannten Schankwein. Das waren in der Regel 52 Quart, also etwa
120 l. Bei den Prozessionen, beim jährlichen Banngang, beim Herrenkauf
und der Verpachtung der Akzise war Weinkonsum auf Kosten der Stadt an
der Tagesordnung. Dabei kamen im Schnitt etwa 1000 Quart Wein zusammen.
Dazu kamen noch die Kosten für Apfeltrank, Bier und Branntwein.
Zum
Herrenkauf muss ich noch eine wirtschaftsgeschichtlich interessante
Anmerkung machen. Beim Herrenkauf, der jährlich im Herbst stattfand,
kamen der Rat und die Hutenmeister als Vertreter der Gemeinden zusammen
und legten die Preise für Weiß- und Rotwein sowie für Korn fest. Da
Getreide wie auch Wein zu den Grundnahrungsmitteln gehörten, war es
Aufgabe der Stadt, diese Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Im
Herrenkauf sind daher Maximalpreise festgesetzt worden, die nicht
überschritten werden sollten. Soweit die Theorie. Im Übrigen ist dieses
Beispiel meines Wissens zurzeit der einzige Beleg im Rheinland für eine
solche städtische Preispolitik.
Der
schon zitierte Referent des Hofrates kam anlässlich die Rechnungvision
zu folgendem Schluss: „Keine Prozession ward gehalten, wo nicht denen
Geistlichen ja öfter ganzen Bruderschaften eine Zeche gegeben wurde, die
nahe bei Ahrweiler wohnenden Franziskaner haben sich gleichfalls bei
verschiedenen Gelegenheiten im Trinken hervorgethan, und endlich hat der
Stadtrath selbst keine einzige Zusammenkunft gehalten, wo er sich nicht
eine Portion Wein zugelegt hat; wenn man nur dasjenig berechnet, was bei
Gelegenheit dieser Saufereien noch nebenhin an Weißbrodt, Schincken,
Braten und dergleichen Speisen aus dem Stadtaerario baar hergenohmen
worden, und was die Aufsicht, und der Faßbinderlohn gekostet haben, so
kombt eine ungelaublich Summe heraus, welche auf die unglaublichste Art
zum Nachteil des gemeinen Weeßens blos verschwendet worden ist“.
Dem
ist nur noch das Schlussresümee des Referenten anzufügen, nämlich dass
in Ahrweiler die Hälfte des städtischen Haushaltes für Essen und Trinken
ausgegeben worden ist.
Ich
füge noch hinzu, dass viele Weinausgaben gar nicht durch die städtischen
Bücher gegangen sind. Die stadteigenen Weine wurden über ein Kellerbuch
abgerechnet, das leider nicht mehr erhalten ist. Der schon vielfach
zitierte Referent meint hierzu, die Kellerbücher seien als einzige
ordentlich geführt. Die Einnahmen hätten 1788 16 Ohm Wein betragen (das
sind immerhin etwas über 3000 Liter), aber davon habe der Stadtsäckel
nichts gesehen, sondern der ganze Weinvorrat sei vom Stadtrat aufgezehrt
worden.
Abschließend dann noch die Frage nach der Bilanz. Die Saldierung weist
nach, dass die Kassenlage im 18. Jahrhundert durchweg gut war. Von 43
auswertbaren Jahren weisen 33 Jahre einen Bilanzüberschuss aus. Das sind
immerhin 78,6% aller Rechnungsjahre. Indes legt der Referent des
Hofrates in dem schon erwähnten Bericht den Finger in die Wunde: „Im
Jahre 1787 betrug sich der ganze Empfang von den ordentlichen Simpeln,
dem Köttergelde, und den übrigen zu der Simpelsrechnung gehörigen
Gefälle zusammen zu 12802 gld und 15 alb köllnisch; - die Ausgaben
hingegen zu 10815 gld 13 alb kölnisch, - Überschuß also war in diesem
Jahre 1787 gld und 2 alb; der Ordnung nach hätte dieser Uberschuß zur
Stadtcaßa gleich abgeliefert und vom Stadtrath in seiner Hauptrechnung,
welcher dieser über den eingehenden Schaz und dem ganzen städtischen
Caßazustand führet, eingetragen werden müssen.“ Das geschah aber nicht!
Damit ist die ganze Misere der Kassenführung genau beschrieben.
Liebe
Zuhörerinnen und Zuhörer,
ich
kann heute Abend nur holzschnittartig das Rechnungswesen und die
wirtschaftliche Lage Ahrweilers im 18. Jahrhundert anreißen. Viele
Details finden Sie in dem 832 Seiten dicken Buch, vor allem finden Sie
einen statistischen Teil, in dem die in den Baumeisterrechnungen
überlieferten Daten ausgewertet worden sind. Mit insgesamt 1,7 kg liegt
also ein sehr gewichtiges Buch vor.
Dank
des Heimatvereins „Alt-Ahrweiler“ können wir Ihnen den Band für 24 €
anbieten, das ist alleine vom Papiergewicht her ein Schnäppchen. Der
Seitenpreis beträgt also nur 1,4 Cent. Greifen Sie zu und unterstützen
Sie den Heimatverein. |